Was nun Demenz oder Delir?
Es ist eine wirklich schwierige Situation, wenn sich Angehörige und Ärzte gegenüber stehen. In dieser Situation geht es immer um einen geliebten Angehörigen und dessen Zukunft, wie lang diese auch immer sein mag und wie auch immer sie verlaufen wird.
Die Schwierigkeiten ergeben sich vor allem dann, wenn die Meinungen auseinander gehen. Das alles ist für mich ein Déjà vu. Das alles habe ich schon ein Mal erlabt, damals als Andreas noch klein und am Anfang seiner Erkrankung war. Ein Beispiel aus der Fülle von Beispielen, die ich erzählen könnte: Andreas hatte bereits zwei generalisierte epileptische Anfälle. Ich rief die Kinderärztin an und wir konnten noch schnell in der Praxis vorbei kommen. Gesagt getan. Sie untersuchte Andreas und als sie das Zimmer kurz verlassen wollte, bat ich sie zu bleiben, da ich jeden Augenblick den dritten Anfall erwartete, alle Anzeichen waren da. Sie warf einen Blick auf meinen Sohn, schüttelte den Kopf, blickte mich mitleidig an und drückte gerade den Türgriff nach unten, als ich sie bat, sich wieder umzudrehen, da der dritte Anfall des Tages eben begonnen hatte. Ich weiß (meistens jedenfalls) wovon ich rede, akzeptiere Unabänderliches. Ich fühle mich unendlich lange zurückversetzt, wollte so etwas nie wieder erleben.
Im Augenblick hat meine Mutter einen Zustand, der entweder ein Delir ist oder aber eine Demenz, die sich schlagartig von heute auf morgen in einer Art und Weise zeigt, die man als fortgeschritten bezeichnen kann. Sie verhält sich exakt so, wie vor einigen Monaten, als sie sich in einem Delir befunden hat, das dadurch entstanden war, dass ihr auf einen Schlag alle Medikamente entzogen worden waren. Kalter Entzug nennt man das wohl. Wir, ihre Familie, haben das schon mal erlebt. Genauso, exakt, deckungsgleich. Es dauerte einige Wochen bis sie sich, nachdem wir das alles wieder in Ordnung gebracht haben, geistig vollständig erholt hat.
Mir ist natürlich klar, dass für die nun behandelnden Ärzte der Eindruck entstehen muss, dass wir uns daran klammern, dass es nun genau so wieder ist. Wie aber können mir die Ärzte umgekehrt erklären, dass sie bis zum Eintritt des jetzigen Zustandes vor wenigen Tagen (Ende Dezember noch) mit mir all ihre Geldgeschäfte besprochen hat, vollkommen orientiert war, wusste wo sie ist und interessiert an allem Anteil genommen hat. Im Dezember war sie stationär, da hat niemand eine Demenz bemerkt, bis zu ihrer Entlassung am 20. Dezember nicht. Einzig, dass sie Probleme hat zu essen. Sie nimmt Antibiotika und der Oberarzt hat festgestellt, dass sie zu den Menschen gehört, die diese Medikamente offensichtlich nicht vertragen. Bei einem dieser Medikamente steht auf dem Beipackzettel, dass es Verwirrtheitszustände verursacht. Leider gibt es keinen anderen Weg als über diese Antibiotika.
Legt in diesem Fall der Faktor Ü 80 fest, dass es eine Demenz sein muss? Ist kein anderer Schluß zulässig als dieser? Sind wir es, die nicht akzeptieren wollen? Ich schätze mal, dass jeder, der mich kennt weiß, dass das kein Problem für mich darstellt, wäre meine Mutter dement. Wenn es so sein sollte, dann es eben so, dann aber sehe ich es, weiß es, wenn ich sie anschaue, fühle es. Egal was immer sie auch hat, sie ist und bleibt meine Mama, nichts kann das ändern.
Im Moment stehen sich in diesem Fall Ärzte und Familie gegenüber, die einen denken über die anderen: Schade, dass sie nicht akzeptieren können oder wollen. Ginge es nicht um das Wohl eines Menschen, dann wäre die Situation geradezu grotesk. Ich greife hier niemanden an, bin im Moment einfach nur müde, wieder einmal eine Situation leben zu müssen, wie ich sie oben beschrieben und so oft habe leben müssen und was ich gar nicht haben will.
Abwarten bis die Medikamente raus sind, bis alle Meikamente so sind wie sie diese gewohnt war. Ihr, meiner Mutter, die Möglichkeit zu geben zu zeigen was wirklich los ist, wenn die Medikamente raus sind. Es geht um sie und nicht um mich, nicht um die Ärzte, nur um sie.
Nicht einfach für mich, hier einen Kommentar zu posten, aber ich möchte es dennoch versuchen. Die Demenz meines Vaters wurde nach mehrjährigem differentialdiagnostischem Ausschlussverfahren festgestellt. Wir lebten lange mit den unterschiedlichsten Begriffen und tausenderlei Medikamenten. Und das bei einem Faktor deutlich U 80 – sondern knapp Ü 60. Diagnose und Groteske wechselten sich häufig ab – einzig verbunden durch den unbestrittenen Kampf um das Wohlergehen eines Menschen. Das habe ich Ärzten und Pflegern nie absprechen können. Nicht gegenüber stehen – Hand in Hand – Schulter an Schulter vereint in der Ohnmacht, die sich auch Ärzte manchmal eingestehen.
Wünsche euch Kraft!
Lieber Mr. Rail,
danke für Deine lieben Worte. Meine Schwiegermutter lebt hier und sie ist dement, absolut. Bei ihr habe ich die Anzeichen vor ungefähr 8 Jahren erkannt, als alle anderen mich für verrückt erklärt haben. Nicht anders war es bei meinem Schwiegervater, als ich die ersten Anzeichen gesehen und als solche erkannt habe, da haben mich alle für verrückt erklärt. Mein Schwiegervater war knapp Ü 60 als es begann.
Im Grunde geht es doch um die Betroffenen, nicht um die Angehörigen.
Ich wünsche Dir einen schönen Abend und danke dafür, dass Du gelesen hast.
Herzlich
Gitta