Betty
Braungebrannt, mit nacktem Oberkörper, sein schweißgetränktes T-Shirt lässig in der Hand, steht er im Halbschatten der einzigen Tankstelle mitten in der Wüste Arizonas. Weit und breit ist nichts zu sehen. Das Schild „restroom“ an der Ecke des flachen Gebäudes, quietscht leise, nur noch an einem Scharnier hängend. Jack schaut, angezogen von dem Geräusch, nach oben. Die Schweißperle, die eben noch an seiner Stirn war, läuft in sein rechtes Auge. Er spürt unglaubliche Lust in sich, der Gedanke an Es prickelt in ihm. Wenn er jetzt nur… Aus seinen Gedanken reißt ihn der Alte, dessen Sporen an seinen ausgetretenen Stiefeln ihn ankündigen, noch bevor man ihn sieht. Am Horizont über der Wüste sieht man die Nacht kommen.
„Wie immer Jack?“ krächzt der Alte.
„Wie immer Jeff!“ antwortet der Angesprochene.
„Geh schon mal rüber, ich schick‘ dir Betty!“.
Ohne eine Antwort zu geben, steigt Jack wieder in seinen, vom Staub der Wüste, bedeckten Pick-up, startet den Motor, wendet das Auto und steuert das neben der Tankstelle liegende Motel an. „Betty“ seufzt er und fühlt, wie ihm erneut der Schweiß ausbricht. Er versucht das Kribbeln zwischen seinen Lenden zu beherrschen, was ihm nur schlecht gelingt. Er stoppt den Wagen vor der Rezeption, stellt den Motor ab. Er bleibt noch einen Moment sitzen, bis seine Erregung abgeklungen war. Dann steigt er aus. Er schaut sich um. Er scheint der erste Gast an diesem Abend zu sein.
Wenig später betritt er die Rezeption, lässt seine Tasche auf den Boden fallen und wie jedes Mal saust seine Hand auf die Klingel, die den abgewetzten Tresen geradezu verziert. Das Geräusch hätte Tote wecken können, nicht weil es so laut war, nein, weil der Klang so schrill war.
„Hi Betty, honey, bin ich der erste heute?“
Betty, die gerade den Tresen erreicht hat, begrüßt Jack ebenso gleichgütig, wie sie jeden anderen Gast auch begrüßen würde. Sie war längst nicht mehr die Jüngste. Ihr Gesicht war von der Sonne gegerbt, tiefe Falten umrahmten ihr Gesicht, noch tiefere ihren Mund. Es scheint als bewegten die Falten die Muskeln ihres Gesichtes und nicht umgekehrt. Früher als sie jung war, muss sie eine Schönheit gewesen sein. Jack, der Maler, wie sie ihn nannten, hat sie gezeichnet, wie er sie sich als junge Frau vorstellt. Betty fühlte sich davon geschmeichelt, der alte Jeff nickte wohlwollend, als er der Bild gesehen hatte. „Ja, genau so!“. Betty saß hier in der Wüste fest. Wo hätte sie hingehen soll? In die Stadt? Was hätte sie dort tun können? Nein, sie würde hier bleiben, bis zu ihrem letzten Tag. Sie gab Jack den Schlüssel seines Zimmers in die Hand, hielt diese ein wenig länger als üblich fest: „Wie immer Jack?“. Jack nickte nur, entzog seine Hand mit dem Schlüssel.
Jack fuhr mit seinem Pick up vor die Nummer acht. Er betrat sein Zimmer. Auf seinem Bett lag die Maske, Es war nicht die vom letzten Mal, auch nicht die von dem Besuch davor. Er weiß, er wird nichts sehen und unterdrückt mit Mühe und Not den Wunsch ein kleines Loch auf Augenhöhe hinein zu bohren. Seine Erregung steigt bei dem Gedanken die unglaubliche körperliche Befriedigung, die er danach spürt ins Unermeßliche an. Er legt sein Handy auf die Kommode. Eine SMS auf diesem sagte ihm, dass er an diesem tAg diese Route nehmen musste, um in den Genuss dieses einmaligen Erlebnisses zu kommen. Wenig später stand er unter der Dusche, seifte sorgfältig seinen Körper ein. Peinlich genau reinigte er sich. Überall. Man konnte nie wissen, wer diese Nacht kommen würde. Bis jetzt waren es immer andere, die den Weg hierher fanden. Inzwischen wusste er, wie er sich verhalten musste, wie er seine Beute für die Nacht schlagen konnte.
Die Nacht hat die Wüste umfangen, die beiden Sandwiches, die er sich im Supermarkt des Ortes noch gekauft hatte, waren gut und erfüllten ihren Zweck. Die Coke dazu löschte seinen durst. Jack geht zum Fenster, hebt den Vorhang ein wenig an. Die Parkplätze vor den Motelzimmern füllten sich. Er braucht keine Uhr, sein Zeitgefühl sagt ihm, dass es nun bald losgehen wird.
Es klopft an der Tür. Jack sagt herein. Noch bevor sich die Tür öffnet hört er den leisen Befehl: „Maske“ aufsetzen. Er tut was ihm befohlen wurde.