„Tote Augen“ von Karin Slaughter ist der Thriller, den ich gerade zu Ende gelesen habe. Der Originaltitel ist „Undone“. Weder der Titel, noch der Klappentext des Buches sind treffend und passen für meine Begriffe überhaupt nicht, wobei ich aus eigener Erfahrung weiß, dass nichts schwieriger zu finden ist, als der Titel eines Buches. Der Klappentext schrammt haarscharf am Inhalt vorbei.

Liest man den Klappentext, dann geht man davon aus, dass Dr. Sara Linton Protagonistin ist. Sie ist Ärztin und ist nach Atlanta gezogen, um ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen, um den gewaltsamen Tod ihres Mannes Jeffrey Tolliver, der in Ausübung seines Berufes als Polizist, im Einsatz ums Leben gekommen war. Man darf sich von dem Klappentext nicht täuschen lassen, sie spielt eine Randfigur. Die wirklichen Protagonisten sind Will Trent und Faith Mitchell, denen die Autorin besondere Eigenschaften bzw. Lebensumstände mit auf den Weg durch den Roman gegeben hat, die sie sehr ausführlich, gelegentlich zu ausführlich beschreibt. Will Trent ist ein Analphabet und das mit Deckung seiner Chefin, die durch den gesamten Thriller hindurch immer mal wieder auf der Bildfläche erscheint und am Ende diejenige welche ist, die rettend eingreifen wird. Ich weiß natürlich, dass es sehr viele Menschen gibt, die weder lesen noch schreiben können, aber ich wage zu bezweifeln, dass Will Trent sich durch alle Prüfungen, bis hin zum Detective, zumal er ohne Umwege über die uniformierten Polizeieinheiten direkt dort angeheuert hat, hätte durchmogeln können. Nein, irgendwie nicht. Auch weiß er nicht wo rechts oder links ist, war in einem staatlichen Waisenhaus aufgewachsen, weil keine Pflegeeltern ihn haben wollten, obwohl er bereits im Alter von fünf Monaten Waise wurde. Pflegeeltern, die dann letztendlich ab und an für gefunden wurden, waren schlecht zu ihm, und wenn sie nicht schlecht waren, dann waren es die anderen Kinder aus dem Waisenhaus. Seine Ehe ist nicht gerade der Burner für ihn und dennoch zieht er keine Konsequenz daraus, dass seine Frau von Zeit zu Zeit über Monate ausgezogen ist. Obendrein ist sein Handy defekt und leider kann er sich kein neues leisten, eben weil er nicht lesen und schreiben kann und seine Frau seit knapp zehn Monaten mal wieder ausgezogen ist. Die Kindheit seiner Partnerin verlief besser, außer der Tatsache, dass sie mit 15 Jahren schwanger wurde und einen Sohn geboren hat, der aber niemals wirklich aufgetaucht war, nur als Nachricht auf dem Band oder in Gedanken von Faith, die bemerkt hat, dass sie von ihrer letzten beendeten Beziehung ein Kind erwartet und außerdem auch noch auf einem Parkplatz ohnmächtig wurde, weshalb ihr Partner sie in die Notaufnahme des Grady Hospital in Atlanta gebracht hat, wo sie Sara Linton begegnen, die ihr sagt, dass sie Diabetikerin ist, was diese ihr nicht glauben will. Faith verhält sich Dr. Linton gegenüber geradezu feindselig, wofür es mir unmöglich war, einen wirklichen Grund zu finden.

Über weite Strecken beschreibt die Autorin das Seelenleben der beiden Detectives bis ins Detail, was weniger mit dem Fall, der sich scheinbar nur nebenbei weiterentwickelt, zu tun hat und der seinen Ausgangspunkt dort hat, wo eine junge Frau einem älteren Autofahrer direkt vor dessen Auto läuft und von ihm überfahren wird. Diese junge Frau wurde schwer mißhandelt, war sichtbar in Gefangenschaft gewesen, sie wurde von ihrem Peiniger geblendet, sein Versuch ihr das Gehör zu zerstören hat er nicht geschafft, dennoch hat er sie nicht nur vergewaltigt sondern ihr noch sehr viel angetan, was ich hier jetzt nicht beschreiben möchte. Das Opfer liegt im Koma und sagt auch dann nicht aus als es wieder daraus erwacht. Nur mühsam und mit Hilfe von Sara Linton kommen die beiden Kommissare voran. Faith betrachtet hie Hilfestellung von Sara Linton als Einmischung und reagiert der Ärztin gegenüber sehr ungehalten, was im Verlauf der Handlung irgendwann aufgelöst wurde. Neben den immer wieder kehrenden, persönlichen Problemen der ermittelnden Beamten verschwinden erneut zwei Frauen und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Alle Frauen, die entführt wurden haben gemeinsam, dass sie an einer Anorexie erkrankt und obendrein Einzelgänger mit einem Hang zu Sterilität in ihrem Lebensumfeld sind. Auch wenn der Thriller einige unlogische Ungereimtheiten, ich verbuche das jetzt mal unter schriftstellerischer Freiheit, möchte ich den Thriller „Tote Augen“ empfehlen, auch wenn ich der Meinung bin, dass die Autorin an manchen Stellen ziemlich ausufernd, für meinen Geschmack zu ausufernd, das Seelenleben aller Protagonisten und der Ärztin Sara Linton beschrieben hat. Das Ende überrascht vor allem dann, wenn man von der Autorin nie zuvor einen Thriller gelesen hat und wer nicht die Angewohnheit hat, das Ende vorweg zu lesen, der wird überrascht sein, wer sich da als Täter oder Täterin zeigt.