Ein Körper stand vor dem Spiegel und schaute sich an.

Sagte die Seele zum Geist: „Was hat er nur der Körper?“

Antwortete der Geist: „Weiß ich auch nicht. Schau ihn dir nur an den Körper. Sieht der nicht furchtbar aus?“
„Wie meinst du das?“ antwortete die Seele. „Eigentlich fühle ich mich ganz wohl da drin. Na ja so bequem ist das ja nicht mehr, seit das Fett weg ist. Überall eckt man an, kann nirgends in Ruhe vor sich hinbaumeln.“
„Na ja, wenn ich mir das so recht überlege, dann hast du Recht. Irgendwie habe ich das Gefühl als wäre ich ständig in Bewegung, ist keine Ruhe mehr da!“


„Ob wir ihn mal fragen sollen was er hat?“ fragte die Seele nun schon etwas besorgter klingend.
„Ach was“ wischte der Geist die Bedenken weg. „Wer weiß was der hat, ich muss noch meine Arbeit machen, mich um die Befindlichkeiten des Körpers zu kümmern, habe ich keine Zeit.“
„Wenn Du meinst, ich habe auch noch Besseres zu tun…“

Das alles hörte der Körper. Nur seine traurigen Augen gaben Antwort. Einige Wochen später. Der Körper stand wieder vor dem Spiegel, die Schultern hingen noch weiter herunter, die Knochen unter der blassen Haut waren deutlich zu sehen. Die einst so glänzenden Haare hingen trostlos herab, die immer strahlenden Augen schienen erloschen.

„Siehst du das?“ fragte die Seele den Geist.
„Natürlich sehe ich das, ich bin ja nicht blind, aber ich habe zu tun, habe keine Zeit, ich brauche für alles immer länger, weiß manchmal nicht was zu tun. Bin immer unterwegs und werde doch nicht fertig, weil ich so viel gleichzeitig zu tun habe und doch so viel vergesse.“
„Ha“ antwortete die Seele „ich finde keine Ruh’ fühl mich gedrückt und elend und weine immerzu und fühle mehr und mehr Unruhe, keine Zeit auszuruhen und selbst die Zeit der Träume bringen mir keine Erholung mehr. Ob wir den Körper nicht doch mal fragen sollen?“
„Ach lass’ mich, ich hab zu tun.“.

Die Seele hingegen wandte sich, noch ehe der Geist sich abwenden konnte, dem Körper zu:
„Sag Körper geht es Dir nicht gut?
Was ist los mit dir? Wie siehst du nur aus?“

Antwortete der Körper müde und leise „Ich? Was soll mit mir los sein? Der Geist glaubt immer in Eile sein zu müssen. Morgens, gleich mit der ersten Tasse Kaffee die erste Zigarette, keine Zeit lässt er mir, um das an Energie zu holen das ich brauche.

Dann hetzt er mich ins Büro, nur Hektik, nur Eile, keine Zeit am Mittag zu essen. Schnell und auf dem Weg zum nächsten Termin stopft er in aller Eile etwas in mich hinein, das soll mir reichen. Am Abend dann, wenn alle nach Hause gehen, da fängt er erst richtig an, vergisst, wie wichtig es für mich ist mit Nahrung verwöhnt zu werden, statt dessen wieder schnell essen, noch Bier oder Wein eben mal schnell. Sag, wie soll ich da fröhlich sein?“

Als der Geist das hörte verharrte er.
„Aber Körper …“ wollte die Seele gerade einwenden, aber der Körper hob die Hand.

„Sei still Seele, du bist doch auch nicht besser. Ständig fühle ich deine Angst zu versagen, fühle nicht mehr die Freude, die du einst hattest. Am Tage treibst du den Geist an, damit du deine Angst nicht fühlen musst und in der Nacht wanderst du unruhig in mir herum, lässt mich nicht schlafen.“

Sofort fielen Geist und Seele übereinander her, gaben sich gegenseitig die Schuld daran, dass es dem Körper so schlecht ginge. Der Körper hörte zu, schüttelte den Kopf.
„Habt ihr nichts Besseres zu tun als euch gegenseitig die Schuld zuzuschieben?“ fragte er zornig. „Habt ihr vergessen, dass ihr nur Gast hier seid? Könnt ihr euch noch erinnern wie es früher mal war? Da wurde ich gehegt und gepflegt, bekam zu essen was ich brauchte, bekam die Ruhe, die ich brauchte. Ich will nicht mehr, will so nicht mehr weiter machen. Ich will das Gefühl haben geliebt und nicht nur gebraucht zu werden, will das Gefühl haben gehegt und gepflegt zu werden, will von euch wahr genommen werden.“

Der Geist wurde zornig als er hörte was der Körper wollte: „Wie stellst du dir das vor? Soll ich Männchen vor Dir machen? Ich habe meine Aufgaben zu erfüllen. Sag der Seele, dass sie den Job übernehmen soll und lass uns das hier beenden!“
Die Seele, ein wenig nachdenklicher geworden als der Geist: „Ja, du hast Recht Körper, ich bin unruhig, habe Angst, weil ich nicht weiß wie das alles weitergehen wird, wenn ich den Geist fühle, dann ist er unzufrieden, will immer mehr, fürchtet die Konkurrenz, die nach seinem Job schon schielt. Der Geist macht Fehler, die noch niemand bemerkt hat und auf die ich ihn im Schlaf aufmerksam mache. Deswegen rennt er am Morgen so schnell los um zu korrigieren, was da im Argen ist.“
Der Geist wollte gerade lospoldern, aber als der die Seele ansah, den Körper im Spiegel ansah wurde er ganz kleinlaut: „Das stimmt mir unterlaufen in letzter Zeit so viele Fehler und ich bekomme mehr und mehr Arbeit und kann doch nicht „Nein!“ sagen, kann nicht „Stopp!“ sagen. Was würden die von mir denken? Was soll ich nur tun?“
Die Seele pflichtete dem Geist bei: „Was soll ich tun? Ich kann doch den Geist nicht bloß stellen, muss ihm doch helfen. Sag Körper was sollen wir tun?“

„Wenn ihr nichts tut, dann werde ich etwas tun!“

Der Geist, der sich sogleich in der Defensive fühlte, fragte den Körper mit aufgebrachter Stimme: „Du Körper willst etwas tun? Was kannst du schon tun, du hast doch einfach nur zu funktionieren.“. Im gleichen Moment als der Geist das sagte, wurde ihm ganz dunkel, ganz schwummerig. „Hey Körper, was soll das! Spinnst du?“

Und der Körper antwortete, völlig unbeeindruckt von des Geistes aufgebrachter Stimme: „Das kann ich tun. Ich kann euch den Dienst versagen. Einfach so. Es sei denn….“

„Was? Du stellst Bedingungen?“

„Ja, ich stelle Bedingungen und wenn ihr nicht danach handelt, dann streike ich.“

„Welche Bedingungen stellst du?“, fragte die Seele zaghaft.

„Ich will mehr Ruhe. Ruhe zum Essen, zum Erholen, zum Entspannen. Ich will mehr Essen und Trinken, gutes Essen und Trinken, ausgewogen wie früher, will die Freude darauf schon beim Kochen verspüren. Ich will Bewegung, ausreichend in frischer Luft und nicht nur zwischen zwei Terminen. Ich will ein Bad, bevor ich schlafen gehe, dass auch die Seele Ruhe gibt. Will auf der Couch liegen am Wochenende und auch mal nichts tun. Ich will nicht getrieben sein von euch.“

Nach schier endlos langem Schweigen gaben sie Geist und Seele einen Ruck: „Na gut, aber dafür..“

„Nein“, sagte der Körper „ohne jede Gegenleistung und bei jeder Zuwiderhandlung wird es wieder passieren.“ und er gab Seele und Geist erneut das Gefühl als würde ihnen dunkel und schwummerig.

Nach einer Weile zogen Geist und Seele ganz gedrückt ab und die Seele flüsterte dem Geist zu: „So unrecht hat der Körper nicht, oder?“ und der Geist zischte zurück „Nein, so Unrecht hat der Körper nicht!“

Und der Körper stand noch einen Moment vorm Spiegel und sagte lächelnd: „Wer weiß, vielleicht könnte ihr mir am Ende auch wieder sagen, dass ihr mich liebt.“