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Tatort vergangenen Sonntag

Vergangenen Sonntag gab es im Ersten Programm einen Tatort, der sich auf die Fahnen geschrieben hatte unser Gesundheitssystem anzuprangern. Gute Idee, schlechte Ausführung. Nein, dieser Tatort hat mir nicht gefallen. Zu viel dialogfreie Grüppchenbildung, bei ansonsten guter, nachdenkenswerter  Geschichte.

Es gibt das DCCV-Journal „Bauchredner“. Klingt komisch ich weiß, aber dabei handelt es sich um die Vereinszeitung der DCCV (Deutsche Morbus Crohn/Colitis Ulcerosa Vereinigung e.V.), die vier Mal pro Jahr erscheint und für die Betroffenen immer wertvolle Informationen und Tipps enthält. Ich muss das wissen, denn ich bekomme sie vier Mal pro Jahr.

In der letzten Ausgabe hat sich ein Artikel mit der Zukunft des Gesundheitswesens beschäftigt. Überlegen wir alle mal, denken wir einfach mal nach: warum muss bei uns alles doppelt und dreifach gemacht werden? Als wir vor ewigen Zeiten einen MRT-Termin für meine demente Schwiegermutter haben wollten war die Wartezeit drei Monate. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: drei Monate. Ich fragte weshalb es so lange dauern würde worauf ich die Antwort bekam, dass es unter anderem daran läge, dass auch dort teure MRT-Aufnahmen verlangt werden würden, wo auch eine einfach Röntgenaufnahme ausreichend sei. Gibt das nicht zu denken?

Meine Schwiegermutter zum Beispiel hat früher, als sie noch selbst dazu fähig war, jedes Quartal ihren Krankschein, später ihre Versicherungskarte zu ihrem Hausarzt getragen, egal ob sie überhaupt in diesem Quartal etwas brauchte. Schätze mal, dass das der Grund ist weshalb sie körperlich so gesund ist, sie hat ihren Doc nur selten gesehen.  Dass damit aber Kosten verursacht hat, die letztendlich die Allgemeinheit zu tragen hatte, das hat sie nie verstanden.

Ich hab also eine chronische Erkrankung, wie so viele andere auch. Wie viel muss ich über sie wissen? Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen. Nun muss man sich das vor Augen halten: es gibt in der Bundesrepublik Deutschland ungefähr 300.000 Menschen, die eine CED (chronisch-entzündliche Darmerkrankung haben)  haben, die Zahl ist steigend. Es gibt was die Anzahl betroffener Menschen angeht sowohl ein Nord/Süd als auch ein Ost/Westgefälle, was an der Art der Ernährung liegt.

Von diesen 300.000 Menschen hat die Mehrheit einen mehr als moderaten Verlauf, können es manchmal vergessen, dass sie eine dieser beiden Erkrankungen habe, andere wieder haben öfter damit zu tun, und ein relativ geringer Prozentsatz sind schwer davon betroffen. Das reicht natürlich für ein Leben und das anderer mit. Man spricht dann von einem schweren Verlauf, der bis zur absoluten Arbeitsunfähigkeit führen kann. Niemand kann sich auch nur im Ansatz vorstellen wie es ist mit einer solchen Krankheit zu leben, die man äußerlich nicht sieht und über die Mensch nicht gerne spricht.

Vor nun fast zehn Jahren habe ich in Berlin-Spandau eine Selbsthilfegruppe für CED-Betroffene gegründet. Dadurch hatte ich mit sehr vielen Betroffenen Kontakt. Die meisten, die ich kennen gelernt habe, sind über ihre Krankheit sehr gut informiert. Trotzdem staune ich manchmal wie oft sie Untersuchungen über sich ergehen lassen, die für meine Begriffe unnötig sind. Ich bin überzeugt davon, dass gut ein Drittel der Untersuchungen unnötig sind. Nicht immer sind die Ärzte die Schuldigen an diesem Prozeß, sondern liegt es auch an den Betroffenen selbst, die mehr als das fordern, was notwendig ist über das Maximum hinaus.

Ich spreche nun nicht von der Vorsorge, das ist ein vollkommen anderes Thema und das sollte jeder nutzen, sondern vom realen Krankheitsfall.

Wenn das nun schon so bei dieser Erkrankung so ist, dann muss ich davon ausgehen, dass das bei allen anderen Erkrankungen nicht viel anders ist. Könnten wir da nicht alle zu unser aller Wohl achtsamer, aufmerksamer mit diesen Kosten umgehen und viel Geld zum Wohle aller einsparen?  Das aber trifft nun nicht nur Ärzte und Patienten, sondern auch Pharmaindustrie und Apotheken, somit das gesamte Gesundheitssystem.

Der Tatort hat, auch wenn er in der Ausführung nicht so gut war, aufgerüttelt, unser Gesundheitssystem angerüttelt, die Menschen wie ich hoffe aufgerüttelt. Ein Mal weniger kann am Ende ein Mal mehr bedeuten.

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