Archiv
Kategorien

Seltsame Gespräche kurz nach sieben Uhr in der Früh‘

Spreeradio 105.5, mein morgendlicher Radiosender, verlost derzeit Reisen in die schönsten Nationalparks dieser Erde. Nicht einfach so, zwischen der Reise und dem Gewinn derselben, stehen fünf Fragen, die es in 30 Sekunden zu beantworten gilt. Wer eine Antwort nicht weiß, der kann zur nächsten Frage „weiter“ sagen. Na ja, wer möchte nicht eine Reise in die Grand Canyons gewinnen? Oder nach Thailand? Oder nach Australien?


Ich bin nicht die, die jeden Morgen ihr Glück versucht, was auch daran liegen mag, dass zum Beispiel Australien nicht das Reiseziel meiner Träume ist, da lasse ich gerne anderen Hörern den Vortritt und höre wie sie die Aufgabe meistern, wie sie die Fragen beantworten. Training, für den Fall der Fälle. Für die Reise in den Grand Canyon nehme ich durchaus das Telefon in die Hand und probiere durchzukommen. Nur wenn Reiseziele angeboten wurden, die ich gerne besuchen würde, versuchte ich auch mein Glück. Mein Glück hat bislang immer bei der automatisierten Stimme geendet, die mir freundlich und mit ausdruckslosem Klang dann immer sagt, dass der Sender sich für meinen Anruf bedankt, aber leider …. Seufz. Heute Morgen lief das komisch und ganz anders. Ich habe gewählt und hörte das vertraute „tut-tut-tut“, das nicht enden wollte, an dessen Ende nicht die Automatenstimme ihr Bedauern ausdrückte, dass frau nicht diejenige welche ist, die, aber der Sender sich trotzdem für die Teilnahme bedankt. Es tutete und das wollte nicht enden, bis eine Frauenstimme erklang. Sie meldete sich und ich meldete mich, so wie sich das gehört unaufgeregt und mit meinem Nachnamen.

 
„Wer ist da?“
„Becker“
„Wer“
Räuspern „Gitta Becker“
„Dita Becker?“
„Nein Gitta“
„Tut mir leid, du bist nicht der 105. Anrufer“ Aufgelegt. Peng! Rums!

 

Warum hat sie noch mal nach meinem Namen nachgefragt, wenn ich eh nicht die/der 105. Anrufer war. Kann ihr doch schnurz sein, wie ich heiße, wenn ich eh nicht weiter komme. Wo war in diesem Moment der Automatenmann, der vor der menschlichen Stimme im Studio kommt? Wieso hat sie mich in diesem Moment nicht abgewimmelt? Bin ich gleich durch die erste Probe gerasselt? Ich frage mich wieso der Generator, der die Anrufe zählt nicht funktioniert hat? Hat die gute Frau mitgezählt? Hmm… Oder war er noch gar nicht geschaltet? Hmm, aus dem Radio klang es anders. Oder dachte sie vielleicht, die Olle bekommt das nie gestemmt, ein stinknormales Gespräch davor zu führen, geschweige denn Fragen fröhlich zu beantworten. Vielleicht kann ich das nicht, vielleicht aber doch. Wer weiß das schon, wie ich in dem Moment ticke? Ich weiß das auch nicht, wenn ich auch schon eine ganze Menge in meinem Leben hatte, das jedoch hatte ich noch nie.
Möglich, dass ich falsch liege, aber auch möglich, dass ich richtig liege, dass eine erste Vorauswahl unabhängig vom 105. Anrufer erfolgt. Frage ich noch mal nach dem Namen, wenn der andere ohnehin nicht der 105. Ist? Nein, ich sage ihm gleich, dass er der Pechvogel schlechthin ist. Eigenartig war das für mich schon, vielleicht war heute Morgen der Automatenmann heißer und hat wegen einer Grippe einfach nur gefehlt. Bin ich eine schlechte Verliererin, weil ich nicht die 105. war? Nein, sicher nicht, das habe ich ja schon oft genug mit dem Automatenmann üben dürfen und enttäuscht war ich da nie, sondern habe mich für diejenigen, die durchgekommen sind gefreut, wenn sie mit ihren fünf richtigen Antworten durch waren.
Kommen wir aber noch zu einer ganz anderen Frage: Hätte ich heute Antworten auf alle Fragen gewusst? Da bin ich mir nicht sicher. Nehmen wir den Nervositätsfaktor dazu, dann wäre es womöglich knapp geworden. Ich bin nicht sauer, dass ich nicht weitergekommen bin, das Wie hat mich durchaus gestört, aber okay, das muss ich hinnehmen. Immerhin hat es zu meinem Artikel angeregt, auch um über solche Spiele nachzudenken. Bin ich enttäuscht? Nein auch nicht. Warum habe ich über das Telefonat überhaupt nachgedacht? Weil es komisch gelaufen war und mich dazu brachte, zu hinterfragen: Wissen wir Hörer, ob wirklich der/die 105. der- oder diejenige welche ist, die im Studio landen? Das ist Teil der Teilnahmebedingungen, dass nur die Nummer 105 eine Chance bekommt. Wer zählt das? Wie werden die Fragen ausgesucht? Damit kann ich jeden durchfallen lassen, das klappt sehr gerne und gut. Wenn Tante Erna aus Kluppshagen am Telefon ist, knochentrocken, wortkarg, ruhig, unaufgeregt, lasse ich die überhaupt durch, oder kicke ich sie aus der Leitung: „Du bist nicht die 105.“?
Bin ich ein schlechter Verlierer? Eher nicht, weil ich mir gar nicht sicher bin, wenn ich den Aufgeregtheitsfaktor nicht außer Acht lasse, ob ich die Frage hätte beantworten können. Das muss ich ehrlich zugeben. Die erste Frage habe ich nicht verstanden, weil ich in dem Moment auch nicht zugehört habe, dem geführten Gespräch noch nachhing. Egal, selbst, wenn ich alle Antworten gewusst hätte, so wäre gar nicht sicher, dass ich ausreichend Wissen in diesem Moment hätte abrufen können und mich unwiderruflich blamiert hätte. Aber gut, wäre nicht weiter tragisch, denn außer uns hört kein Mensch in der Familie 105.5.
Aber egal, der Tag ist mir trotzdem nicht verhagelt. Ich wünsche Euch einen tollen Tag mit viel Höhen und wenig Tiefen, mit vielen netten Telefonaten und Menschen, die Eure Namen gleich verstehen und nicht erst noch nachfragen, bevor sich Euch dann doch noch kanten: Laßt es Euch gut gehen.

Kommentieren