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Drei Würfe, Hexen und alles geht daneben

Meine Mama sagte immer, wenn gleich früh etwas daneben geht: „Nun habe ich noch zwei Wurf frei“, abgeleitet von dem Spruch „Aller guten Dinge sind drei“. Vergangenen Sonntag, da habe ich meine drei Wurf, gleich früh morgens hintereinander abgeleistet, aber was doof ist, das geht gerade so weiter. Es gibt Würfe für die kann man nix, aber auch solche, die könnte man vermeiden, wenn man konzentrierter bei der Sache wäre. Aber …

Kann Mensch immer konzentriert bei der Sache sein? Nein. Das kann er nicht, er wäre Übermensch. Mir geht das manchmal so, da bin ich einfach nicht bei der Sache, möchte meine Arbeit machen, aber meine Gedanken kreisen irgendwo in den Weiten des Universums, bei Problemen, bei vergangenen Ereignissen. Da bin ich Mensch, das ist so, das geht vorbei. Im Grunde bin ich keine Randalenfrau, eher das Gegenteil, ich liebe Harmonie, aber konnte sie selten leben und kann sie auch heute nur selten leben. Ein Wesenszug, ein Relikt aus meinem Vorleben, dass mir das so augenscheinlich nicht vergönnt ist? Vorleben. Haben wir eins? Keine Ahnung und ich möchte hier keine Diskussion über Glauben und Religion lostreten, denn ich meine das ist persönliche Ansichtssache, die nicht kirchengebunden und frei jeden Glaubens ist, das einfach eine persönliche Einstellungssache. Ich spinne diesen Faden aber weiter. Wenn ich auf mein Leben schaue, dann muss ich ein böses Vorleben gehabt haben und muss das in diesem Leben alles auf einen Schlag büßen. Okay, in Ordnung, wenn das dann für das nächste Leben aber okay ist und das dann rundum glücklich und zufrieden werden wird, dann passt das auch. Nicht materiell gedacht, sondern rein emotional betrachtet. Hallo? Was los? Depressive Lebensphase? Das mir, wo ich doch eher der positiv ausgerichtete Mensch bin. Nein, eher noch die Nachwirkungen der vergangenen Tage, die um diesen blöden Jahrestag herum liegen. Depressive Lebensphase? Nein, das nicht, aber geradezu perfekt für eine einfache schlichte Bestandsaufnahme. Ich habe drei wunderbare Kinder, keine Frage, das passt perfekt, allerdings hatte eins davon ein beknacktes Dravetsyndrom, das mir, und das ist einfach so, von der Diagnose bis zu dem Tag, da mein Kind ein Sternenkind wurde, persönliche Lebensqualität genommen hat, mich um so viel beschissen hat, mir Jahre meines Lebens gestohlen hat, wie bei allen anderen Dravetkindereltern auch. Dort ist das nicht anders. Diese Jahre klaut uns einfach Jahre unseres Lebens. Wie nicht wir sind es, die betroffen sind, sondern unsere Kinder? Fehlanzeige. Wir leiden mit, mit jedem Anfall, leben unglaubliche Ängste, weil wir nicht wissen was der Tag morgen bringen wird und ob der nächste Anfall nicht der letzte sein wird. So ist das. Das geht so weit, dass irgendwann mal, wenn uns bewusst wird, dass sogar unsere ureigene Freude, über was auch immer, bei den Kindern sofort die Anfallsbereitschaft steigert, wir noch nicht mal darauf Bock haben. Na ja, da vergeht die dir Lust Freude zu haben, denn du kannst machen was du willst, du wirst ein schlechtes Gewissen haben, weil du in Feierlaune bist und dein Kind dafür einen oder gar mehrere Anfälle kassieren muss. Das ist wie bei jedem normalen Menschen, der nach einem irren, ausgelassenen Tag eine schlechte Nachricht bekommt, na dem ist ja auch die Freude für die nächsten Male versemmelt. Aber irgendwann lernt man, dass man ohne Spaß und Freude mit einem Dravetkind nicht überleben kann. Die Kinder geben uns viel? Das ist Ausgleich? Ein Scheiß ist das. Ja natürlich tun sie das, aber das ändert nix daran, dass das verfluchte Dravet, weil wir so viel von uns selbst aufgeben müssen, uns Jahre klaut, wie ein Seelensammler Seelen. Was macht das eigentlich mit all diesen Jahren? Das werde ich dann in meinem nächsten Leben ja hoffentlich nicht mehr haben, wirft aber dann doch die Frage nach meinem Vorleben wieder auf. Aus dem Dravet und mehr, tippe ich mal auf mächtige Hexe der schwarzen Magie, geht ja nicht anders. Ergo habe ich mit all den anderen Dravetmüttern in grauer Vorzeit mal auf dem Hexenberg im Mondlicht um das Feuer getanzt und Beschwörungsformeln gemurmelt. Ja, die Väter sind an der Stelle raus, die haben ihren eigenen Club und Hexen können schöner um das Feuer tanzen.

Letzten Sonntag zum Beispiel, um auf die Würfe, die Mensch am Tag hat, zurück zu kommen, da habe ich meine drei freien Würfe innerhalb weniger Minuten erledigt d dabei einen nicht unerheblichen Schaden verursacht. Witzigerweise hatten zwei Würfe jeweils eine e nach sich gezogen. Heute kann ich darüber lachen, Sonntag irgendwie nicht. Und heute? Heute geht das schon wieder so los, aber heute kann ich etwas dafür, weil ich mit meinen Gedanken nicht bei der Sache bin, absolut nicht. So ist das, so kann das passieren, immerhin habe ich noch zwei Würfe frei, einen habe ich schon erledigt.

Wie groß muss die Verfehlung im Vorleben gewesen sein, wenn du einen Sechser im Lotto hast, ohne diese Zusatzzahl, aber ungefähr hundert andere Spieler auch. Na da willst du doch raus wo kein Loch ist. Ernsthaft, stell dir das mal vor, und das kann man sich gut vorstellen, auch wenn man nicht spielt: Samstag Abend, Lottozahlen, Vergleich, Sechser, Jubel, Freude, Sechser, Montag, Quoten, 183 Gewinner mit sechs Richtigen, Ernüchterung. Mehr muss man dazu nicht schreiben.

Oder du geierst um einen Auftrag. Alles perfekt, alles gut, dein Auftritt war gut, deine Chancen stehen gut. Und dann? Dann kommt Meier, schräge Zähne, fette Haare, keine Krawatte, verwaschene Cordhose, legt den Knaller hin und zieht den Auftrag.

Egal was immer es im Leben auch ist, du ziehst einfach die Niete. Was solls, das Leben ist trotz lebenswert, egal wie, hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen, gehört eben zu deiner Vita dazu. Ist eben so. Ich wünsche Euch, dass ihr keinen der drei Würfe ausübt, dass der Tag perfekt sein wird, der Sechser als einzige gewonnen, der Auftrag an Land gezogen wird und auch sonst alles super läuft. Laßt es Euch gut gehen.

 

 

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