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Kaffeeflug

Die moderne Kaffeefahrt, es gibt sie in der Tat. Ich habe auch eine Einladung dazu bekommen. Per Mail: Eine Prämienreise in die Türkei, ohne irgendwelche Kosten, außer einem Kerosinzuschlag in Höhe von 49 Euro, der vor Ort zu bezahlen ist. Zugegeben, mich juckt das in den Fingern, nicht weil ich kostenlos reisen will, sondern weil ich, was das angeht sehr neugierig bin, was sich dahinter verbirgt. Aber ich fürchte, das wird dann nicht witzig werden, für mich oder den Veranstalter?

Ich weiß, diese Reisen waren schon im Visier von Wiso oder frontal 21, oder welcher Sendung auch immer, ich weiß das nicht mehr so genau. Aber so eine Kaffeefahrt kann auch lustig sein und ich oute mich, dass ich schon mal, vor mindestens sechs oder sieben Jahren, als Jungspund sozusagen, an einer Kaffeefahrt teilgenommen habe. Ja, das habe ich. Das ist schon Jahre her, damlas hat mich meine Nachbarin dazu agestiftet, weil sie diejenige welche war, die diesen Ausflug „gewonnen“ hatte und mit dem Ausflug noch einige Versprechen und Gewinne mehr, einzulösen nur auf der Fahrt. Kostenlos, ins wunderschöne Brandenburg zu fahren. Wow! Wen hat sie gefragt sie zu begleiten? Na ja doch, mich. Was habe ich gemacht? Logisch, ich bin mitgefahren, neugierig wie ich war. Das ging ganz früh am Morgen los, das Wetter war perfekt und es war Spargelzeit gewesen. Das weiß ich deswegen, weil wir auf dem Rückweg noch Spargel gekauft haben. Wir sind natürlich nicht mit dem Bus der Kaffeefahrtanbieter zurück gefahren, sondern privat, denn wir … aber ich fange mal vom Anfang. Wir bestiegen, wie gesagt früh morgens den Bus, fuhren noch einige Haltepunkte an, sammelten Kaufwillige, aber auch sozial sehr schwache Menschen auf, die sich auf die kostenlose Fahrt gefreut haben, weil aus Geldmangel kein soziales Leben stattfinden kann. Dann ging das los. Wir verließen Berlin und fuhren in Richtung Pampa. In Richtung Spreewald, einer richtig tollen Region in Brandenburg, die man besucht haben muss, wenn man nach Berlin kommt. Die Fahrt ging weiter und noch weiterer von jedem Hauptverkehrsweg ab, bis wir im allerhintersten Dorf ohne Chance auf irgendeine Ernährung irgendeiner Art, vor einem Sportvereinsheim, in wo auch immer, hielten. Alle raus, rein da und an ganz normalen, einfachen, in langen Reihen aufgestellten Tischen Platz nehmen, Klappe halten, zuhören, lachen auf Befehl, applaudieren auch. Der Moderator, auch wenn mir das gar nicht gefällt den Mann so zu nennen, fing an, ganz unverbindlich natürlich, die Teilnehmer zu begrüßen.  Er dirigierte seinen Chor, teilte Gewinne an seine eigenen Leute aus, ich gehe davon aus, dass die Gewinner dieses Tages keine echten Teilnehmer einer Reise, sondern gefakte waren, ließ diese hell vor Freude jubeln und ging zum nächsten Produkt über, nicht ohne zu betonen, dass wir doch alle eine Gemeinschaft seien, die zusammen halten müssten. Das ging Schlag auf Schlag auf Schlag wie er seine Waren und Reisen anbot, ich dachte ich bin im Wald. Na gut, dann war Mittagspause. Fast. Denn bevor man zur Mittagspause kam, musste man mal schauen, was man sich kauft, denn wir sind ja alleine Gemeinschaft und die steht zusammen und es bekam nur zu essen, wer einen Beleg über etwas Gekauftes hatte. Eine wirklich arme Frau, die mir gegenübersaß war den Tränen nahe. Das war nicht auszuhalten, ich habe eine Kleinigkeit gekauft, habe den Beleg dieser Frau gegeben und bin verduftet, habe die Veranstaltung verlassen. Meine Nachbarin auch. Draußen haben wir dann zu Hause um Hilfe gerufen, man möge uns aus den Kaff XY abholen. Das wurden wir dann auch, machten noch eine kleine Tour durch Brandenburg mit diversen Stopps, kauften u.a. Spargel ein, weswegen ich mich daran erinnere, dass diese Veranstaltung im Mai gewesen war.

Irgendwann später kam dann in einem der Magazine ein Bericht über diese Kaffeefahrten mit genau den angebotenen Waren, die wir kennenlernen durften. Heute führen diese Kaffeefahrten in Form von Flugreisen in die Türkei als „Kaffeeflüge“. Das und nur das ist das Ziel und Berichte über diese „Prämiengewinne“ gab es in der Vergangenheit zahlreich. Man wird tagtäglich in einen Bus gesetzt, durch die türkische Landschaft gefahren und landet dazwischen immer und immer wieder bei verschiedenen Kaufstationen. So ist das. Kaffeefahrt modern, weit weg von zu Hause in einem Land, dessen Sprache man mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht spricht. Ich gehe davon aus, dass einige der so durch die Läden Gezerrten schon mal aus Angst sich Dinge kaufen, die sie absolut nicht brauchen.  So gesehen, sollte man sich vorher informieren und wenn man die tragenden Begriffe dieser Einladung bei Google eingibt, also „Premiumgewinn“, „Reise“ und „Türkei“, dann landet man dort, wo vor der Annahme dieses Premiumgewinns gewarnt wird. In diesem Sinn lasst das bleiben, das kann nicht wirklich gut sein, vor allem, wenn man dahingehend angeschrieben wird, dass man sich doch sicherlich daran erinnern wird, dass man an einem Preisausschreiben teilgenommen hat. Bei mir ist das sehr einfach mich daran zu erinnern, weil ich das grundsätzlich nicht tue.

Eine Kaffeefahrt hierzulande mitzumachen geht auch, aber nur wenn man weiß, dass man sich auch aus der hintersten Ecke unseres Landes abholen lassen kann, sich aus der Veranstaltung verdünnisieren kann. Ich wünsche Euch eine Menge toller Veranstaltungen zu denen ihr auch gerne geht und wenn ihr dort seid, dann genießt sie auch: Laßt es Euch gut gehen!

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