Das „Ach“ unter dem „Dach“
Wer kennt den Spruch „unter jedem Dach ein Ach“ nicht? Es spielt dann keine Rolle ob das Baby Fieber hat, oder das Geld am Monatsende nicht reicht, oder ob man Differenzen mit seinem Partner hat, sich vielleicht getrennt hat, oder sich Kontakte ohne Worte verabschieden, die man gerne mochte, das Auto kaputt ist, die Reparatur ein Vermöge verschlingt, ein Vermögen auch 5 Euro sein können, die eingeteilt werden wollen. Es spielt keine Rolle was es ist, ich glaube, dass so jeder sein kleines oder großes Ach zu tragen hat.
Was wir unter dem Jahr vielleicht easy nehmen bekommt gelegentlich während der Weihnachtszeit eine vollkommen andere Bedeutung, lastet vielleicht schwerer, oder leichter, kommt der Berg der Probleme größer vor als noch vor drei Wochen obwohl die Hälfte abgearbeitet ist. Über Trennungen möchte man nicht nachdenken, auch nicht was man mit mehr als 5 Euro alles machen könnte. Klinge ich heute sentimental? Stimmt, kann schon sein, dass das so ist. Nicht ohne Grund.
Wer meinen Blog kennt, der weiß, dass ich hier schon über meine Schwiegermutter geschrieben habe, das aber an einem Punkt habe sein lassen, als ich dachte, das geht jetzt nicht mehr über sie zu schreiben. Ich möchte heute nicht über sie schreiben, sondern an das Heer der Menschen erinnern, die ihre Mütter und Väter pflegen, oder ihre Schwiegermütter und Schwiegerväter. Das ist etwas vollkommen anderes als wenn man sein Kind pflegt und betreut und ob behindert oder nicht ins Erwachsenenleben führt und dorthin entlässt, egal ob behindert oder nicht, denn auch behinderte Menschen haben das Recht eigenständig zu leben und das geht. Es ist etwas anderes, vollkommen anderes.
Man ist immer das Kind seiner Eltern, nur wenn diese pflegebedürftig werden, dann kehrt sich das um und die Kinder verlieren diesen Status schlagartig. Wenn man erwachsen ist, mitten im Leben steht, da kann man damit umgehen. Schlimm ist das, wenn Pflegende selbst noch Kinder sind und diese Konstellation gibt es häufiger als es uns lieb sein kann. Das möchte ich außen vor lassen, auch wenn sie es sind die noch mehr Hilfe und Unterstützung brauchen als alle anderen.
Eigentlich wollen wir während der Weihnachtszeit gar nichts von trübsinnigen Themen hören oder lesen, weil alles auf eine eigene Art beschwingt ist. Trotzdem möchte ich an die Menschen erinnern, die ihr eigenes Leben aufgeben und pflegen. Ohne sie trüge die Gesellschaft deutlich höhere Kosten als sie es tut. Dennoch ist es nicht unbedingt ein Vergnügen, wenn der unbekümmerte Status des erwachsenen Kindes mehr und mehr verloren geht. Nicht wirklich. Nicht, dass man sich vor der Verantwortung drücken will das ist Blödsinn, das will man nicht, aber dem Verfall der Eltern, der Schwiegereltern zuzusehen ist nicht einfach, abgesehen davon, dass man oft in einem sozialen Abseits steht.
Meine Schwiegermutter wurde gerade von der Palliativstation des Lynarkrankenhauses nach Hause entlassen. Noch bevor sie richtig zu Hause angekommen war, hatte ich schon einen Anruf des ambulanten Palliativteams Christophorus und kaum zwei Stunden später waren die Ärztin und die Pflegeleiterin da und wir besprachen die verbleibende Lebenszeit meiner Schwiegermutter. Das erste Mal hatte ich das Gefühl mit ihr hier zu Hause gut aufgehoben zu sein. Ein saugutes Gefühl zu wissen, dass ich eine Telefonnummer habe bei der ich Tag und Nacht anrufen kann, wenn ich für meiner Schwiegermutter Hilfe brauche. Dem KV-ärztlichen Notdienst in Berlin traue ich nicht weiter als ich ihn sehen kann und ich habe noch niemand getroffen, der damit zufrieden war.
Zu der jetzigen genialen Betreuung kommt, dass wir einen verlässlichen Freundeskreis haben, der immer irgendwie da ist, nun kommt ein Insider: vorzugsweise am Dienstag, das ist z.B. heute. Wir haben Menschen, Freunde, die einfach auch mal anrufen und danach fragen wie es uns geht.
Ich möchte die Weihnachtszeit nutzen, Euch an Freunde erinnern, die durch die Pflege von Angehörigen gerade ein wenig abseits stehen, es gehören aber auch Mehrlingsmütter dazu, deren Alltag von wickeln und füttern bestimmt ist. Ruft sie an, schnappt Euch einen kleinen Kuchen und geht hin, auch wenn da eine demente Person dann um Euch herum wuselt, ist dann halt so, oder wenn der Schwerkranke im Pflegerollstuhl am Tisch sitzt und schläft in dem angenehmen Wissen, dass da Menschen um ihn herum sind, sofern er das ertragen kann. Vielleicht landet eins der Babys n Eurem Arm und ihr füttert es, auch nicht schlecht, oder? Eine Tasse Kaffee, ein Stück Kuchen, ein wenig quatschen, das ist für Pflegende der Hit schlechthin. Ihnen vielleicht zuhören, oder in alten Zeiten schwelgen, wer weiß vielleicht ergibt sich in Eurem Leben auch mal eine Situation, die Freunde erfordern. Es ist so einfach, es ist nur eine kleine Stunde Eures Lebens in der ihr Gutes tut.
Ein wenig nachdenklich ist das heute, aber ich denke das macht nichts, das könnt ihr ertragen, das könnt ihr ab. Trotzdem genießt das Leben, ich tue es trotz allem auch, jede Stunde, jede Minute und Sekunde: Laßt es Euch gut gehen.