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Der nächste bitte!

„Der nächste bitte!“, klingt es in meinen Ohren und so voll wie es in dem Raum ist, dachte ich zuerst ich bin im Wartezimmer eines Arztes. Weit gefehlt. Das „Der nächste bitte!“ galt dem nächsten Kunden im Frisiersalon. Wobei das Wort „Salon“ hier deutlich fehl am Platz ist. Ich sitze nun also in einem Frisiersalon mit meiner Schwiegermutter, deren wenige Haare gewaschen und geföhnt werden müssen und da ich in diesem Fall der Nähe nachgehen muss, ist dies der nächste Frisör. Wir sind die vorletzten des Tages und ich habe ausreichend Zeit mir meine Gedanken zu machen.

Ich gehe zum Friseur, wenn der Natur folgend der Ansatz meiner Haare deutlich sichtbar in einer anderen Farbe schimmert als der die ich zu tragen pflege. Dann rufe ich ihn an: Kai, meinen Freund, meinen Frisör, mein Kummerkasten seit weiß ich wie vielen Jahren nun schon. Allein schon das Gefühl am Telefon gescherzt und geschäkert haben, gelegentlich packe ich meinen Terminwunsch in einen witzigen Reim, fühlt sich schon an wie Weihnachten und Ostern auf einem Tag. Der Termin für die Maniküre wird gleich mitgemacht und die Vorfreude auf diesen Tag ist groß. Wer nun denkt, die geht gerne zum Friseur, der irrt. Ich kann es nicht leiden, wenn ich, übertrieben ausgedrückt, stundenlang mit nassen Haaren dort sitze. Ich neige zu leichter Ungeduld und laufe gelegentlich auf und ab um dieser inneren Unruhe entgegen zu wirken. Aber egal irgendwann muss das ja mal sein.

Es ist dann soweit, ich habe meinen Termin. Einmal fast quer durch die Stadt, wie immer gleich einen Parkplatz gefunden und rein in den Laden. Ein schönes Geschäft hat er sich da aufgebaut. Ich fühle mich immer gleich wohl, wenn ich ankomme und wenn die Tür sich hinter mir schließt, bleibt die Welt draußen wo sie auch hingehört. Die Begrüßung ist sehr herzlich, Küßchen hier, Küßchen (und nein, ich werde das Wort Küßchen nicht mit zwei „s“ schreiben) da und los geht es. Farbe auftragen, Kaffee trinken, inzwischen hat die Maniküre begonnen. Es geht zum Farbe auswaschen, Petra wandert mit allem was sie hat mit, um sich bei der Maniküre ja nicht stören zu lassen. Farbe ausgewaschen, Platz wechseln, die Dinger da oben auf dem Kopf müssen ja auch noch geschnitten und in Form gebracht werden. Petra wandert mit. Nachdem die Haare geschnitten sind, werden sie geföhnt, Petra ist nun bei der Handmassage angekommen, ein Hit schlechthin.

Nach zwei bis drei Stunden bin ich endlich fertig und darf nachdem ich die Rechnung bezahlt habe gehen. Ich werde verabschiedet mit Küßchen rechts und Küßchen links. Ich habe es genossen, auch wenn es mir wie immer zu lange gedauert hat. Das Ergebnis kann sich übrigens immer sehen lassen.

Ich warte nun also hier im Salon mit meiner Schwiegermutter. Massenabfertigung. Ein Slapstick fällt mir dazu ein: Fließband übergroße Scheren und schnipp, schnapp und fertig, macht 4,95 der trockene Männerhaarschnitt, 8,95 der für Frauen.

Die beiden Frauen hier sind sehr nett, ohne Frage. Sie geben ich bei jedem Kunden Mühe ihn individuell zu beraten. Trotzdem sieht es für mich bei allen irgendwie gleich aus: erst ein wenig mit der Schere, dann mit einem Rasierer oder wie immer man das auch nennen mag den Rest, noch ein wenig die Schere angesetzt, ‘nen Fünfer plus einen oder zwei Euro Trinkgeld und Tschüß. Der nächste bitte!“. Wer nun glaubt, dass da nur Männer sitzen, denen ihr Aussehen mehr oder weniger egal scheint, der irrt. Da Sitzt alles: jung und alt, Mann und Frau. Die beiden Frauen geben sich Mühe, die Leute, die den Laden verlassen sehen alle durch die Bank ordentlich aus. Was will man mehr für einen Fünfer oder bei Frauen knapp zwei davon?

Ein geniales System eigentlich für das „Ich-schreibe-eines-fürs-Finanzamt-hin-und-behalte-eins-im-Sinn.“. Das Finanzamt kann hier nicht über den Wasserverbrauch prüfen, nicht über Materialeinsatz wie Shampoo, Pflege, Haarsprayverbrauch. Es kann überhaupt nicht kontrollieren. Klar weiß ich, dass das die Allgemeinheit schädigt, aber Mensch irgendwie war das schon immer so, denn würde der Laden jeden Haarschnitt versteuern, dann müsste er irgendwann die Preise anheben. Egal wie also der Bürger bezahlt immer die Zeche.

Trotzdem, ich werde zu weiterhin zu Kai fahren, es ungeduldig genießen, über mich ergehen zu lassen, nach knapp drei Stunden um fünf Jahre jünger auszusehen, ich will ja nicht übertreiben.

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