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Ein Umzug als solcher

Ist die Wohnung gefunden, wird der Umzug geplant.  Der Idealfall ist natürlich ein Umzugsunternehmen zu beauftragen. Das wäre aber nur der halbe Spaß. Ließe man auch noch packen, dann würde man nicht den Gegenständen begegnen, die man irgendwo, längst vergessen, im Schrank gelagert hat.  Auch dem Teeservice von Tante Gertrude würde man nicht begegnen, das zusammen mit der hässlichen Porzellanfigur von ganz hinten aus den Tiefen des Schrankes, die das Tageslicht nur dann erblickt hat, wenn Tante Gertrude zu Besuch kam. Sie ist längst schon verblichen, nur ihr Teeservice nicht, das hat man samt Figur  einfach vergessen. Das aber ist nicht alles, was dafür spricht seinen Umzug nicht in fremde Hände zu legen. Dem, der es tut, dem entgehen schmerzende Rücken und Gelenke ebenso wie das tolle Gefühl aufkommenden Muskelkaters, fix und fertige Menschen, die auf dem Weg in den 4. Stock dankbar einen Schluck Wasser annehmen, nie würde man all das Stöhnen und Fluchen seiner besten Freunde hören, nicht die bleichen ungeschminkten Gesichter sehen und es gäbe keine Einweihungsparty für all die fleißigen Helfer.

Es gibt ganz unterschiedliche Umzugstypen: Der Penible, der Normalo und der Chaot. Dazwischen sind alle erdenkliche Abstufungen und Ausprägungen vorhanden, so kann selbst der Penible eine Schwäche haben, sowie der Chaot eine Stärke, wobei das fast unmöglich scheint.

Der Penible plant seinen Umzug minutiös, überlässt nichts dem Zufall. Er wird vor dem Umzug alles maßstabgetreu erfassen und auf dem Grundriss seiner neuen Wohnung so lange hin- und herschieben bis alles passt. Er berechnet wie viele Kartons er brauchen wird ohne sich zu verrechnen.  Er beschriftet sie akribisch, so dass jeder Karton im richtigen Zimmern ankommen wird, was er genauestens überwacht. Nach drei Tage ist der Spuk bei ihm vorbei und Tante Gertrudes Teeservice steht dort im Schrank wo es immer stand, vorne links,  sticht sofort ins Auge, wenn der Schrank geöffnet wird. Außer der Anschrift hat sich bei ihm nichts verändert.

Der Normalo plant auch, allerdings haut das mit der Anzahl der Kartons nicht gleich hin  und er muss welche nachkaufen. Auch er beschriftet die Kartons, die ersten jedenfalls noch ziemlich genau, was sich aber irgendwann verlieren wird. Er kauft sich neue Möbel stellt diese vor dem Umzug auf. Das Teeservice von Tante Gertrude wird er mitnehmen und überlegt, während er es einpackt, ob es nicht an der Zeit wäre sich davon zu trennen, da die Tante längst schon verblichen ist. Die ersten Kartons finden noch mühelos ihre Zimmer, erst bei den letzten Kartons wird wild verteilt, weil die Leute schneller damit kommen als er auf das Zimmer zeigen kann. Es wird eine Weile dauern bis alles an Ort und Stelle ist, das Teeservice bleibt im Karton verpackt. Überhaupt hat er Kartons, die gut und gerne ein Jahr irgendwo herumstehen werden, dann auf den Boden oder in Keller kommen und vergessen werden.

Der Chaot unter den Umziehenden muss ständig Kartons nachkaufen, er organisiert seine Helfer, vergisst darüber aber rechtzeitig ein geeignetes Fahrzeug zu ordern. Im letzten Augenblick kann er noch einen Transporter beschaffen viel zu klein natürlich. Auf einem der Wege, wird er noch eben schnell bei Ikea anhalten, liegt ja auf dem Weg, die fehlenden Regale und Schränke kaufen und während die Helfer ausladen, diese aufbauen. Das hat zur Folge, dass alle Kartons, die nur spärlich beschriftet sind, in irgendwelchen Zimmern landen, nur nicht dort wo sie hingehören. Das Teeservice von Tante Gertrude hat er lange schon nicht mehr, ging beim letzten Umzug zu Bruch. Nach zwei Wochen räumt er immer noch Kartons aus.

Zwischen diesen drei Umzugstypen gibt es natürlich unzählige Varianten dieser Spezies. Da sind die, die mit einem kleinen Transporter auskommen, aber auch die Jäger und Sammler, die alles aufheben, diejenigen, die immer alles gleich müllen, wenig zu verpacken haben und dennoch chaotisch sind, es gibt diejenigen, die penibel beginnen, normal weiterarbeiten um dann chaotisch zu enden. Es gibt diejenigen, die mit 50 Kartons alles verpackt haben, aber auch die, die mit 150 Kartons kaum auskommen und obendrein zwei Mal mit einem 7,5 Tonner fahren müssen.

Irgendwo dazwischen waren wir mit unserem Umzug: Kartons haben wir nachgekauft, die meisten haben wir penibel gepackt, beschriftet nach Inhalt und Raum, aber irgendwann dann, als unsere Jäger- und Sammlerleidenschaft zum Vorschein kam, wurden wir chaotisch. In den Kartons war dann „Allerlei“ und derer gab es viele, zu viele mit der Aufschrift „Allerlei“. Ach ja, den Laster haben wir auch einmal vergessen zu bestellen, wobei uns nicht klar war, dass man bei dem begehrtesten Autoverleiher in Berlin tatsächlich einen Vorlauf von 2 Wochen für die Bestellung eines 7,5 Tonners einplanen muss. War egal, wir haben dann von einem anderen Autoverleiher einen bekommen.

Nun haben wir diesen Umzug fast geschafft, die Kartons, die wohl nie ausgepackt werden, sind schon aussortiert und stehen bereit um auf dem Boden zu verschwinden. Noch suchen wir, finden mal mehr, mal weniger schnell, aber wir sind angekommen, haben den ersten netten Abend schon mit Freunden hier verbracht und fühlen uns eigentlich sehr wohl in unserer neuen Wohnung.

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