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Alles hat seine Zeit

Wir spielen gerade alle die Fußball-EM, leiden und hoffen, sind sauer oder erfreut. Als ich gerade dabei war, den Sender zu suchen, der übertragen sollte, kam ich bei einer Serie im ZDF an. Samstag Abend, ich weiß nicht wie die Serie heißt, aber das spiel auch keine wirkliche Rolle, aber am Ende der Folge stand der Protagonist, der Pfarrer auf der Kanzel und hielt seine gewohnte Predigt ab: „Ein Jegliches hat seine Zeit“. Irgendwie war das hängen geblieben und hat mich während der letzten Tage über beschäftigt.


Ich habe nicht weiter gezappt, sondern habe zugehört und da ich nicht sonderlich bibelfest bin, habe ich nachgelesen, es hatte mich beeindruckt und in dem Kontext auf dem Bildschirm mehr als im Text der Bibel Prediger Salomo, mit dem ich nicht wirklich ganz einverstanden sein kann.
Ein Jegliches hat seine Zeit, geboren zu werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit, pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist hat seine Zeit. Machen wir uns je Gedanken darüber, dass alles ein Lauf der Zeit ist und dass wir das nicht beeinflussen können? Nein, ich möchte nicht darüber schreiben, ob es „Mächte“ gibt, die das lenken, nicht beschwören, dass da Gott und Allah das bestimmen, dabei vielleicht nebeneinander sitzen und auswürfeln wer und wer nicht, welche Pflanze und welche nicht. Ich ersetze diese Mächte durch das Wort Universum, das alles ist, das das Ganze ist, das eine harmonische Einheit ist und von dem wir alle ein Teil sind: Du und ich, schwarz und weiß, Christen und Muslime, gelb und grün, Tiere und Pflanzen. Sind wir Menschen es nicht, die in den Lauf des Natürlichen eingreifen, in den Lauf der Pflanzen, roden unendlich viele Wälder ab, auch, wenn das nicht nötig ist, um nur ein Beispiel zu nennen. Alles hat seine Zeit, von Menschenhand das auszureißen, was seine Zeit noch nicht erreicht, erscheint angesichts des natürlichen Gleichgewichts geradezu irrsinnig. Tiere tun all das nicht. Alles hat seine Zeit, das Wachstum der Pflanzen, die Ernte, wenn die Früchte reif sind. Ohne das Gift, das Menschen aufbringen.
Alles hat seine Zeit, umarmen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit, schweigen hat seine Zeit, lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit, Krieg hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. Das alles klingt nach Gleichgewicht, nach Ausgewogenheit, nach Ying und Yang, nach schwarz und weiß, nach Gleichfluss. Ich finde heute herrscht mehr ein Ungleichgewicht. Warum müssen wir immer nur eine von zwei Möglichkeiten wählen: Nur streiten, nur reden, nur hassen? Wer immer redet, der hört niemals zu, der weiß nicht wie andere denken, wird keine neuen Aspekte kennenlernen, der wird niemals den anderen Menschen verstehen, der wird weiter die Regenwälder roden, um bei diesem Beispiel zu bleiben, der wird nie verstehen. Wer immer hasst, der wird nie sein Herz für die Liebe öffnen können, wird ihr nie einen Platz darin anbieten wollen. Wie will er Liebe an seine Kinder weitergeben können, wenn nur Hass in ihm ist? Wie will er Menschen aus dem Krieg in den Frieden führen? Frieden hat seine Zeit, aber wer dem Hass in seinem Herzen zu viel Zeit und Raum gibt, der kann den Frieden darin nicht wiederfinden.
Weinen hat seine Zeit. Lachen hat seine Zeit. Sterben hat seine Zeit. Nein, nicht wenn das Kind vor den Eltern geht. Gibt es eine Zeit für Kinder zu sterben? Vor ihren Eltern? Nein, das ist nicht gerecht. Ich weiß das, ich habe es erlebt, habe meine Mutter erlebt als mein Bruder gegangen ist, das war noch keine Zeit zu sterben, ich habe sie erlebt als meine Schwester gegangen ist, auch das war noch keine Zeit zu sterben. Ich erinnere mich an mich selbst als mein Kind gegangen ist. Nein, auch das nicht und doch sage ich mir heute, dass es seine Zeit war zu gehen. Andreas ist zu einem Moment gegangen als sein größer zu werden drohte. Also doch alles hat seine Zeit? Ich maße mir nicht an zu behaupten, dass es immer so ist. Heute, am 23. Juni ist der Internationale Welt Dravet Syndrom Tag. Alles seine Zeit, auch dieser Tag. Alles hat seine Zeit, auch ein Medikament, das diesen Kindern helfen kann, ich glaube fest daran.
Alles hat seine Zeit. Irgendwie im Großen und Ganzen stimmt das. Ganz sicher. Inne halten hat seine Zeit, jetzt gerade, und das ist ganz wichtig, bevor man Hass, Krieg, Menschen von sich stößt, Distanz schaffen, Nähe verlieren zu viel Raum gibt, bevor man den ersten Stein wirft und dabei vergisst danach das Zerstörte wieder aufzubauen. Ich wünsche Euch eine Menge Zeit, Zeit zu lieben, Zeit zu schweigen und zuzuhören, Zeit zu umarmen, Zeit aufzubauen, Zeit zu leben, alles hat seine Zeit: Laßt es Euch gut gehen!

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